Die Wennigser Jugendtage sind legendär. Aus zuverlässiger Quelle erfuhr
ich, dass es in den goldenen 80ern hier die kleinsten je hergestellten
Pokale zu gewinnen gab. Der Pokal für den Drittplatzierten, von durchaus
hübschen Design, soll in etwa die Größe eines Schnapsglases besessen
haben! Die Teilnehmerfelder der Jugend-Turniere (E-Jugend aufwärts,
G,-F,- und vermutlich auch B-u.-A-Jugend - zu alt - gab es nicht) ...
die Teilnehmerfelder bestanden wohl aus höchstens immer vier
Mannschaften, sodass man mindestens immer Vierter wurde! Aber noch
bemerkenswerter, vielleicht liegt es am Mikroklima des in unmittelbarer
Nähe liegenden Deisters: auf akustisches Signal des Schiedrichters hin,
fing es bei Turnierbeginn immer an zu regnen...
Vielleicht schwebten all diese wundersamen Dinge auch Dr. Reiner Köster
im Kopf herum - einem Mann mit Herz, einem Mann der sozialen Integration
- als er sich im Vorfeld der Veranstaltung in seinem Büro an seinem
Schreibtisch sitzend, über das Telefon gebeugt, Gedanken über die
Kaderzusammenstellung der F2 machte, und schließlich bei ansteigendem,
stark zunehmenden, linksseitigen Schläfenschmerz an den Punkt gelangte:
"nein, nein, nein, das kann man nicht machen, ich kann das nicht machen,
ich bringe es nicht über's Herz. Hier müssen alle Spieler dabei sein!
Und die Crepes, die backe ich auch selbst."
Folgerichtig ging die Wennigser F2 mit 7 plus 5 Spielern ins diesjährige
Turnier-Rennen - und Dr. Rainer Köster war für den Cafe-Betrieb zuständig.
Der Veranstalter hatte sich dieses Jahr tatsächlich ein echtes Rennen
ausgedacht. Fünf Mannschaften, gegenüber den 80ern an sich schon
revolutionär, aber halt, halt, halt, das war nicht alles: fünf
Mannschaften mit Hin-und Rückserie. Acht Spiele!
Regnen sollte es trotzdem.
Acht Spiele, acht Aufstellungen, acht Taktiken: Mal brüllte Coach Wallat
wie der legendäre mexikanische WM-Coach Herrera auf seine Spieler ein,
mal lächelten sich Spieler und Coach zu. Mal gab es Einzelgespräche.
Selbst eine Suspendierung für die Länge eines Spiels soll es angeblich
gegeben haben. Einmal, vor dem allerersten Turnierspiel, sah ich, dass
sich Coach Wallat von seiner Mannschaft entfernte. Er sprach etwas, und
wenn ich das Lippenspiel aus der Ferne richtig deuten konnte, sagte er:
"ich geh mal spazieren, macht das mal alleine." Dann sah ich, dass Coach
Wallat alleine in Waldnähe auf einer verlassenen Bank saß und
möglicherweise den Vogelgeräuschen lauschte.
Im ersten Spiel sollte es nach 1-0 Blitzführung durch Johann Mantei, zu
einer 1-2 Niederlage gegen die Wennigser F1 kommen, die wie immer von
keinem Geringeren als Moritz "Lionel" Poppe angführt wurden.
Danach, vor allem in den Partien drei bis sechs - Unentschieden gegen
den OSV Hannover, Sieg gegen Gehrden, Niederlage gegen die Wennigser F1
trotz Feldüberlegenheit, sowie Sieg gegen Altwarmbüchen - machte die
Wennigser F2 einen hervorragenden Eindruck. Coach Wallat taktierte wie
ein Wilder: The Rocket spielte zweimal rechter Verteidiger, Dribbelkönig
Ali Khattab Libero. Jo Scholz spielte mit Vorliebe Linksaußen.
Geburtstagskind Thorben Overall Gehrmann immer heiß auf den allerneusten
Tabellenzwischenstand, glühend heiß auf das nächste Up-Date, schmiss
'ne Runde Knoppers in der Kabine und stellte fest, dass die Trikots nach
Hundescheisse stinken. Anschließend fragte er nonchalant die sportliche
Leitung: "darf ich vielleicht in Trainingsjacke spielen? Geht das? Oder kann
man Trainingsjacken gar nicht waschen?"
Der Sieg der Wennigser F2 gegen Altwarmbüchen, vielleicht der sportliche
und emotionale Höhepunkt, wurde auch von der Wennigser F1 lautstark
mitgefeiert: Ich sah Julian Houra, Leo Keller, Lio Poppe und Co. Arm in
Arm Fangesänge anstimmen, und als auch die Wennigser F2 nach Abpfiff der
Partie in kollektives Jubelgeheul ausbrach, gab es kein Halten mehr. Ich
sah F1- und F2 -Spieler wild durcheinander rennen. Oskar Camacho Wallat
machte gar das Flugzeug und hob mit ausgeflügelten Armen ab. Sensationell!
Für den Viertplatzierten, das war klar, gibt es kein Schnapsglas. Was aber
würde es geben für die Wennigser F2 am Ende des Tages? Die neue
Wennigser Jugendleitung - Don Frank Jaquet und Rico Balboa Kruppa, zwei
ausgebuffte Manager - marschieren grinsend und komplett poker-gefacet vor
dem Vereinheim herum. Die Siegerehrung läuft. Der OSV Hannover hat das Turnier
gewonnen...
Dann seh' ich einen Ball fliegen. Rico Balboa wirft Coach Wallat über
die Köpfe der Spieler hinweg einen Ball zu. Ein neuer Ball! Ein
Derbystar! Zusätzlich zu den obligatorischen Medaillen gibt es einen
Ball. Die neue Jugendleitung des TSV Wennigsen lässt sich nicht
lumpen! Hier kann der Weg nur nach oben führen! Hier riecht es nach Gold.
Die Wennigser Jugendtage sind einzigartig. Dies konnten, dank Dr. Reiner
Köster, alle zwölf Spieler der Wennigser F2 und ihr Coach am eigenen
Leib erfahren.
Noch eine schöne WM und b.b. (bis bald)
Menotti